Ironie wie auch die genaue Beobachtung ihrer Umwelt sind nur einige Merkmale der künstlerischen Praxis von Natalia Weiss. Als Meisterin der Druckgrafik verwendet die Künstlerin verschiedene Techniken, um ihren Denk- und Erklärungsmodellen den entsprechenden Ausdruck zu verleihen. Dazu gehört auch das Spiel mit Metaphern und Sprache an sich. In ihrer Druckserie Selfie treffen all diese Komponenten zusammen: Hier treten Tiere als Stellvertreter:innen menschlicher Protagonist:innen auf, wobei jede Spezies ganz bewusst gewählt ist. Die jeweilige Bedeutung findet sich in der privaten Symbolsprache der Künstlerin. In der Abbildung Selfie 1 hält beispielsweise ein Ameisenbär ein Handy mit einem Ladekabel in der Pfote. Ähnlich der Darstellung eines Kampfhundes in Selfie 2 (ebenso zu erwerben im Kaleidoskop) ist auch der Körper des Ameisenbärs nur angeschnitten und taucht aus einem dunklen Hintergrund auf. Die Umgebung gibt keine Rückschlüsse auf den Lebensraum des tierischen Gesellen, stattdessen verliert sich der Hintergrund in formalen Schwarz-Weiß-Kontrasten. Die Künstlerin arbeitet gekonnt mit dem Medium Linolschnitt und nutzt die expressionistische Note dieser Technik für ihre rätselhaften Bildgeschichten. Natalia Weiss bezieht sich in der Wahl ihrer Sujets fast immer auf reale Ereignisse und Personen. Die Übertragung menschlicher Eigenschaften auf Tiere steht dabei in der Tradition der Tierfabeln, wie La Fontaine (1621–1695) sie schrieb, die Lebensweisheiten wie auch moralische Betrachtungen vermitteln. In dieser druckgraphischen Serie thematisiert die Künstlerin unseren inflationären Umgang mit Mobiltelefonen. Ihre Tierporträts sind nichts anderes als Spiegel, die sie uns Menschen vor das Gesicht hält.

Silvia Müllegger