Früher galten schmutzige Füße auf Gemälden als Provokation. Ist Schönheit in der Kunst auch heute ein Kriterium?
Der gezielte Schock der Surrealisten
In der bildenden Kunst ist die Hässlichkeit seit Beginn der Moderne ein zentrales Thema, über das viel diskutiert wird. Die Surrealisten brachten ab 1920 das Schlagwort des Schocks ins Spiel. Ihre Kunst wollte nicht zum Selbstzweck provozieren. Die gezielte Irritation sollte unsere Sinne öffnen, uns erst empfänglich und sensibel machen für die Kunst, die es nicht nur mit dem Kopf zu erfassen galt, sondern die viel tiefere, unbewusste Ebenen erreichen sollte. Das – so glaubten die Surrealisten – sei allerdings erst möglich, wenn wir vorher unseren Schutzpanzer abgelegt hätten.Caravaggios schmutzige Füße
„Es ist eine allgemeine Erscheinung in unserer Natur, dass uns das Traurige, das Schreckliche, das Schauderhafte selbst mit unwiderstehlichem Zauber an sich lockt“, schrieb der deutsche Dramatiker Friedrich Schiller schon im 18. Jahrhundert. Auch das Hässliche übt eine fortdauernde Faszination aus, obwohl sich im Lauf der Jahrhunderte verändert hat, was wir als hässlich bezeichnen. Vieles von dem, was vergangene Generationen schockierte, entlockt uns heute nur ein müdes Lächeln. Caravaggio malte im 16. Jahrhundert Menschen mit schmutzigen Füßen, fauligen Zähnen und Krampfadern. Damals ein Skandal, schließlich waren Caravaggios Zeitgenoss:innen gewohnt, dass Menschen auf Porträts idealisiert dargestellt wurden. Mittlerweile nennt man Caravaggios Ansatz von „Hässlichkeit“ schlichtweg Realismus.
Jeff Koons: Schön, hässlich oder jenseits?
Niemand würde heute mehr auf die Idee kommen, von der Kunst ein geschöntes Bild unserer Wirklichkeit zu erwarten. Vielmehr würden wir es als „Kitsch“ abtun. Mit Kitsch wird im Kunstkontext allenfalls ironisch operiert. Jeff Koons popkulturell aufgeladene Werke finden viele banal, seine Balloon-Dogs sind veredelter Alltagskitsch. Soll man sie schön finden? Oder hässlich? Oder stehen sie jenseits von solchen simplen Kategorien?