Christian Ludwig Attersee zählt zu den international bekanntesten, österreichischen Malern. Sein Stil? Ein lebensfrohes Gesamtkunstwerk, das alle Genregrenzen sprengt. In Kooperation mit der Galerie Ernst Hilger bietet ARTcube21 zehn farbenprächtige Lithografien, Siebdrucke und Farbradierungen in niedriger Auflage an.
Nackt räkelt sich ein junger Mann auf einem Sofa, seine Haare sind gelockt. Mit einem Fächer bedeckt er neckisch sein Geschlecht. „Attersee der Schwindelprinz“ nannte sich diese Serie von Schwarz-Weiß-Fotografien, die 1968 entstanden sind. Der androgyne Künstler präsentierte sich auf ihnen als erotisches Objekt: Christian Ludwig Attersee passte schon damals in keine Schublade. Er wollte nicht bierernst Gesellschaftskritik üben. Während die Aktionisten provokant im Dreck wühlten, spielte Attersee in seinem Frühwerk mit femininen Selbstinszenierungen.
Dadaistischer Humor prägte seine künstlerische Arbeit, die lustvoll alle Genregrenzen sprengte. Er wollte den Begriff „Schönheit“ untersuchen, freilich mit gebührendem Witz. „Ja, ich war tatsächlich erschreckend schön, auf androgyne Art und Weise. Das hat Männer und Frauen gleichermaßen interessiert. Mich weniger“, sagt er in einem Interview rückblickend: „Ich habe mich mit meiner Schönheit inszeniert und diese Selbstdarstellung gerne auch ins Ironische gezogen.“ Er wurde 1940 als Christian Ludwig in Pressburg/Bratislava geboren, wuchs bei Linz und am Attersee auf, wo er früh seine Leidenschaft fürs Segeln entwickelte. Er war dreifacher Staatsmeister in diesem Sport, bevor er sich ganz seiner Kunst widmete. An der Akademie für angewandte Kunst Wien studierte er zunächst Bühnenarchitektur und im Anschluss Malerei bei Eduard Bäumer. Attersee nahm 1964 an der Venedig-Biennale teil und unterrichtete später an der Wiener Angewandten.
„Ich habe mich mit meiner Schönheit inszeniert und diese Selbstdarstellung gerne auch ins Ironische gezogen.“
Christian Ludwig Attersee
Food-Collagen und Pop-Art
Erste Objekte gestaltete er im Geist der Pop-Art; damals bitterarm, schlief er oft im legendären Künstlercafé Hawelka oder bei Freunden. Sein Abendessen hat er in Form von Kunst selbst erfunden und ab 1964 in „Ess-Collagen“ umgesetzt. Überhaupt hat ihn die Kulinarik als Kunstobjekt früh fasziniert. So hat er 1966 den Suppenschwammlöffel erfunden, um Speisen aufzusaugen. Er war Teil des „Attersteck“, das einen schrägen Blick auf unsere Esswerkzeuge warf.
Er trieb aber auch ein böses Spiel mit Worten: „Finger Snack“ heißt ein farbenfroher Druck, auf dem abgeschnittene Finger als Häppchen in Schinken gewickelt gereicht werden. „Meine Objekte der Sechzigerjahre sind benutzbar und stellen zugleich den herkömmlichen Gebrauch, das, was Usus ist, auf den Kopf“, erklärt er im Gespräch seinen Zugang.
Der Maler als Gesamtkunstwerk
Attersee wollte sich nie begrenzen lassen. Während andere ihrem Stil treu und damit auch berechenbar blieben, erfand sich Attersee ständig neu, war in vielem seiner Zeit voraus. Er war Maler, Bühnenbildner, Filmer, Performer, Sänger und Literat. Das macht sein vielseitiges Werk bis heute so aufregend. „Meine Kunst ist komplett anders als der Aktionismus, bei dem es um Aggression und Zerstörung geht. Ich habe eine große Achtung vor Alltagsgegenständen, vor Kleidern, dem Essen und Möbeln. Der Beginn meiner Kunst war die Atterseeisierung der Welt“, sagte er gegenüber der Wiener Stadtzeitung „FALTER“.
Als Allroundkünstler kannte er nie Berührungsängste. Seine Atterseeisierung macht auch vor Gebrauchskunst keinen Halt. Er malte Weinetiketten, verschönte Cola-Dosen und Teekannen, entwarf ein Mosaik für ein Kaufhaus auf der Mariahilfer Straße. Und die berühmte „Atterseewurst“ findet man nach wie vor in so manchen Supermärkten.
Mit seiner offenen, lebensfrohen, humorvollen Haltung ist Attersee ein Junggebliebener. In Interviews ist der 83-jährige Tausendsassa nach wie vor ein gewitzter Gesprächspartner. Vor zwei Jahren trat er in der TV-Show „Willkommen Österreich“ auf und meinte, er wolle jeden Tag die Welt neu erfinden. Im Gespräch mit dem Belvedere21 anlässlich seiner Einzelausstellung 2019 erklärte er seine kunstvolle Esswelt und das Prinzip der „Atterseeisierung“: „Ich war der Erste, der Humor in die Kunst gebracht hat.“
Seine Kunst entspringt aus der Beschäftigung mit dem Alltag. Sie ist ironisch und spielerisch, sie spricht uns direkt an. Über diese schöne Leichtigkeit sagt er: „Ich war in meiner Jugend schwer krank, lag lange im Spital. Ich habe das, was man Todessehnsucht nennt, also nur in bescheidenem Maße. Ich behandle den Tod wahrscheinlich auch deswegen in meiner Kunst nicht.“
Was ist ein Hemdtal?
Das Auktionshaus Dorotheum handelt seine Gemälde mittlerweile zu fünfstelligen Preisen. Ein Luxus, den sich nur wenige leisten können. ARTcube21 bietet in Kooperation mit der Galerie Ernst Hilger deshalb leistbare, handsignierte Originaldrucke an. Zehn Motive stehen zur Auswahl, farbenprächtige Lithografien, Siebdrucke und Farbradierungen in niedriger Auflage. Sie stammen aus den 1990er-Jahren bis zur jüngsten Originalgrafik von 2020 und decken das reiche malerische Schaffen ab, das in den letzten 20 Jahren eine zentrale Stellung in Attersees künstlerischem Leben eingenommen hat.
Malen ist für Attersee ein sinnlicher Akt; leuchtende Farben, ein dynamischer Pinselstrich und eine fantasievolle Formensprache zeichnen seine Bilder aus. Vieldeutig, poetisch und assoziationsreich sind Titel wie „Vogelschlaf“, „Nachtapfelparade“ oder „Hemdtal“ – auf dem Gemälde agieren zwei menschliche Figuren in einem Hemdkragen miteinander. Ein neugieriger Vogel lugt über den Kragen und sieht ihnen dabei zu.
Attersees geheimnisvolle Bilderrätsel hinterfragen unsere Wahrnehmung von Realität. Sie machen uns neugierig nicht nur auf die Kunst, sondern auch auf die Welt.