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In der Secession: Spielwelten, Fossilien und andere Überraschungen

Foto Secession
Secession 2022
Bei der ersten Kunstbetrachtung fiel die Wahl auf die Anfang März eröffneten Ausstellungen in der Secession, welche Werke von Siggi Hofer, dem Kollektiv DIS und der südafrikanischen Künstlerin Dineo Seshee Bopape zeigen. Eine interessante Herausforderung.

Vor dem Gebäude ertönen Stimmen aus einer Audioinstallation, eine Botschaft? Eintritt Secession. Hinweisschilder. Es geht die Treppen hinauf, diese ist orange beleuchtet. In einem angedunkelten Raum wird die Videoarbeit „How To Become A Fossil“ des Kollektivs DIS gezeigt. In verschiedenen Szenen versuchen Menschen bei einem Drive-in das übliche Fast Food zu bestellen und erhalten stattdessen Weltansichten und Belehrungen. Wird das vielfach verspeiste Huhn das einzige Fossil sein, das unsere Nachkommen finden? Humor, Ernstes, Irritation. Gegen Verschwendung, Ausbeutung. Interessant.

Ein kindliches Ratespiel?

Mein eigentliches Ziel ist die Ausstellung „Still Life“ von Siggi Hofer, einem Künstler, dem ich mich nun erstmals annähere. Der Raum gleicht einem Spielplatz, einer Art Werkstatt. Überall liegen riesige pastellfarbene Holzklötze, die mich an Bausteine eines Kindes erinnern. Dazwischen sehe ich Bilder von Adlern, Fußbällen, rosaroten Hähnen, Turnschuhen, die mich an männliche Klischees erinnern. Im Gegensatz dazu finden sich auch Motive von Rosen und Schmetterlingen, welche einer sanfteren – weiblichen? – Sphäre zuzuordnen sind. Ein Gegensatz? Die einfachen, seriellen Sujets sind auf rohen Spannplatten aufgebracht. Ist es Klebefolie oder gemalt? Die grafischen Motive könnten Bastelanleitungen entsprungen sein.
Siggi Hofer - Still Life, Foto: ARTcubce21
Was Männer müssen - Künstlerbuch in Form einer Zeitung
Man fühlt sich in seine Kindheit versetzt, ein humorvoll gestaltetes Spielgelände, bei dem man am liebsten mitmischen möchte. Das wäre doch einmal etwas … Besucher:innen, die selbst Hand anlegen.
Siggi Hofer, Still Life, Ausstellungsansicht, Secession 2022, Foto: Michael Strasser
Von der Unfähigkeit zu sehen
Dazwischen sehe ich großformatige, fein gezeichnete Bilder von Städten, mit unzähligen Häusern, bei denen die Fenster ausgespart wurden. Eine augenlose, blinde Stadt. Worauf blicken die Menschen, die darin wohnen? Auf einem Bild befindet sich ein Messer, was soll es symbolisieren? Ist es eine verletzte Stadt? Ein dysfunktionales System? Wird das System Stadt generell in Frage gestellt? Dieses Thema wird in den augenlosen Gesichtern fortgesetzt, die wie die anderen Motive auch auf roher Spannplatte befestigt sind. Welche Gedanken hat der Künstler dazu? Texte, die das erklären könnten, sucht man im Raum vergeblich. Es scheint ein gewolltes Ratespiel zu sein. Wissensdurstige Tourist:innen suchen die Auflösung, erklärende Worte, wollen mich in Diskussionen zur Kunst allgemein verwickeln. Im Vorraum werde ich fündig, es gibt Folder in mehreren Sprachen. Immerhin etwas.

Die Auflösung des Rätsels

Ich lese nun von DIY-Materialien, patriarchalen Motiven und Klischees und deren sanften Gegenentwürfen. Es handle sich um „ein begehbares Bild, welches die Unübersichtlichkeit und komplexe Realität unserer Gegenwart widerspiegeln soll.“ Manches davon kann ich nachvollziehen, die Materialwahl, die Motive, all dies ist für mich ein humorvolles Stillleben mit Kindheitsbezügen. Auch die Städtebilder begleiten den Künstler schon seit seiner Kindheit, als er „sich aus dem alpinen Umfeld hinaus und in den Kontext der Großstadt hinein“ gezeichnet hat, wie eine frühe, in der Ausstellung gezeigte Kinderzeichnung des Künstlers belegt. Im Dialog damit sind die späteren fiktiven Städtebilder zu betrachten. Es bereitet Vergnügen, sich auf dieses humorvolle Spiel mit Kunstinszenierungen und Sehgewohnheiten einzulassen. Ob daraus neue Erkenntnisse entstehen? Sehen Sie selbst.

Raum und Natur als Einheit

Ein besonderes Erlebnis ist die Installation „Lerato le le golo (… la go hloka bo kantle)“ der südafrikanischen Künstlerin Dineo Seshee Bopape. Ihre Arbeit befindet sich im Untergeschoß und wird schon von einem lauten Summen angekündigt, es sind Bienen, man erkennt es auf Anhieb. Pinkfarbende Lichter unterstreichen die surreale Geräuschkulisse. Gleich daneben sieht man sich einem riesigen Erdwall gegenüber, der Geruch ist sehr einprägsam, sinnlich, versetzt einen in ferne Länder. Beim Erdwall handelt es sich um einen Versammlungsort, einem Ort für die Gemeinschaft, wie mir eine sympathische Mitarbeiterin erklärt. Im letzten Raum ist wieder Erde in einer begehbaren Installation aufgeschüttet. Verschiedene Gegenstände befinden sich auf dem Boden, wie Gefäße für Honig, symbolartige Gegenstände, die in einem Kreis angeordnet sind. Sandkuchen in Blumenform könnten die Natur darstellen.
Dineo Seshee Bopape, Lerato le le golo (…la go hloka bo kantle), Ausstellungsansicht, Secession 2022, Foto: Oliver Ottenschläger
Zwischen Natur und Mythos
Die Besucher:innen sollten sich laut Ausstellungstext wie „in eine andere Welt versetzt“ fühlen. Persönlich fühle ich mich von den Themen der Künstlerin angesprochen: Ihre Arbeiten kreisen oftmals um die südafrikanische Schöpfungsgeschichte, Fruchtbarkeit, Weiblichkeit und Spiritualität, die sie wiederentdeckt. Ihre bevorzugten Werkstoffe sind ausgewählte Alltagsmaterialien wie Erde, Lehm, Stoffe, Pflanzen, Behältnisse, Farben und digitale Medien. Sehr gegensätzlich zum bisher Gesehenen.

Resümee:

In den aktuellen Ausstellungen der Secession kann man sich auf eine Weltbetrachtung unterschiedlichster Art einstellen – von kindlichen Spielwelten, irritierenden Videosequenzen bis zur sinnlich erfahrbaren Raumintervention. Eine Irritation des Sehens. Und das ist wohl eine wichtige Aufgabe der Kunst.

Also: Sehen Sie sich das an!

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