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Im Porträt: Natalia Weiss

Natalia Weiss im Atelier - Foto: Matthias Dorninger
Natalia Weiss im Atelier - Foto: Matthias Dorninger

NATALIA WEISS *1973 in Neunkirchen / Niederösterreich, studierte Druckgrafik an der Kunstschule Wien. Sie ist Mitglied des Künstlerhaus Wien und erhielt für ihre Arbeiten zahlreiche Preise. In den letzten 20 Jahren hat Natalia Weiss Zeichnungen, Radierungen, Buchprojekte, Animationsfilme und Installationen geschaffen. Ihre Arbeiten wurden u.a. von der Artothek des Bundes, der Wienbibliothek und dem MAK erworben.

Was treibt der Ameisenbär mit einem Handy? Im Atelier von Natalia Weiss wimmelt es von Tierbildern. Mal in feinen, mal in kräftigen Linien umrissene Chamäleons, Raben oder Maulwürfe geben sich dort ein Stelldichein. Immer wieder blitzt dabei der Humor der Künstlerin durch. Das Studio der Grafikerin befindet sich in einem ehemaligen Geschäftslokal in Wien Neubau. In ihrem Schaufenster hat sie früher gerne Arbeiten von Kolleg:innen ausgestellt. Der gemütliche Raum wird von Materialschränken und einer Druckerpresse dominiert. Allerlei Krimskrams stammt von Besuchen auf dem Flohmarkt, wo Weiss vor allem altes Papier für ihre Collagen sucht.

Amphibien in der Druckerpresse

Der Weg zu ihrer heutigen Tätigkeit war alles andere als linear, erzählt Weiss. Sie habe zwar schon immer viel gezeichnet und geschrieben, studierte aber – auch auf elterlichen Wunsch hin – zunächst Biologie. Bereits im Kinderzimmer widmete sich die Amphibien-Freundin voller Forschergeist ihrem Terrarium, aber das spätere Studium fesselte sie nicht. „Ich habe lange nach einem Weg gesucht, meine Interessen und Talente – die Biologie, das Zeichnen und das Schreiben – zusammenzuführen“, schildert Weiss. Diese Herausforderung brachte die Niederösterreicherin mit dem russischen Vornamen schließlich an die Wiener Kunstschule. In der Grafikklasse von Georg Lebzelter erlernte und vertiefte sie Techniken wie Radierung, Lithographie, Linolschnitt, Tief- und Hochdruck, die sie seither nicht mehr losgelassen haben.

Natalia Weiss - Foto: Matthias Dorninger
Natalia Weiss - Foto: Matthias Dorninger

Revival der Druckgrafik

Die künstlerische Grafik erlebt seit geraumer Zeit eine Renaissance. Viele internationale Ausstellungen und Publikationen der letzten Jahre widmeten sich Papierarbeiten. Auch die Druckwerkstätten der Kunstakademien erlebten einen Aufschwung. Zudem schossen auf Zeichnung, Druck und Buchkunst spezialisierte Kunstmessen aus dem Boden. Im digitalen Zeitalter wachse der Wunsch nach haptischen Erfahrungen, lautet eine der Erklärungen für diesen Boom. „Es gibt heute ein Bedürfnis nach Entschleunigung“, beobachtet die Künstlerin.

Geduldig ins Säurebad

Sie sei selbst ein ungeduldiger Mensch, aber die vielen Arbeitsschritte der Druckverfahren würden sie „runterbremsen“. So muss für eine einfache Strichätzung erst eine Metallplatte poliert, facettiert und geschliffen werden, anschließend wird sie mit einem sogenannten Ätzgrund, einem Lack, bestrichen. Weiss ritzt ihre Zeichnungen ohne vorherige Skizzen direkt in diese Abdeckschicht. Das darauffolgende, in der Regel zeitintensive Säurebad bewirkt, dass sich die Linien in die Platte einätzen. Nach der Entfernung des Lacks geht es an das Einfärben der Platte und dann erst an die Druckerpresse.
Natalia Weiss - Foto: Matthias Dorninger
Natalia Weiss - Foto: Matthias Dorninger

Die Tiefe der Radierung

Die passionierte Grafikerin hat selbst schon viele Workshops geleitet. Besonders liebt sie das zufriedene Lächeln der Kursteilnehmer:innen, wenn sie ihre Kreationen von der Druckplatte abziehen. „Jeder neue Druck ist eine Überraschung! Diese Erfahrung nutzt sich auch nach jahrelanger Praxis nicht ab.“ Gerade die Radierung erzeuge eine gewisse Tiefe, eine fast schon bildhauerische Dimension in einem Bild. Als Exempel holt Weiss die Kupferplatte ihrer Edition für ARTcube21 hervor und zeigt deren reliefartig gestaltete Oberfläche. Das Wort „PTÁK“ darauf bedeutet auf tschechisch „Vogel“.

Jeder neue Druck ist eine Überraschung! Diese Erfahrung nutzt sich auch nach jahrelanger Praxis nicht ab.

Besonders liegen der Künstlerin Buchprojekte am Herzen. Ihr erstes selbst gebundenes Druckwerk „Humpelnde Haikus für Hasen“ entstand für ihre Diplomarbeit 2001. Prägnante Kurzgedichte treffen darin auf Tierfiguren, die seither als Alter Egos, Weggefährten oder Stellvertreter:innen für nahe Personen fungieren. „Sie sind immer ein Teil meines Vokabulars, um Gefühlszustände auszudrücken“, beschreibt Weiss ihre Nähe zur Fauna, die bis in ihre Träume reicht.

Mit Aquatinta in die Nacht

Buchstäblich in den Untergrund führt die 2021 entstandene Bildserie „Bäume“, ein Leporello, das an der Atelierwand hängt. Die Radierungen zeigen den Boden mit Erdreich und Wurzeln, dazu Vögel, Insekten und einen Maulwurf. Den Ausgangspunkt bildete das gleichnamige Gedicht, das aus Patricia Highsmiths Roman „Ediths Tagebuch“ (1977) stammt. Auf Büttenpapier hat Weiss sechs Leporellos gedruckt. Jedes stellt ein Original dar, wurde doch für das halbe Dutzend „Zustände“ jede Druckplatte noch mehr mit Säure bearbeitet. Als Ergebnis dieser Aquatinta-Technik werden die Bilder immer dunkler, wechseln quasi von Tag zu Nacht. Sie korrelieren so mit dem Poem, das von der Morgenfrühe in melancholische Todesnähe führt.
Bildserie Vexierfragen / Conundrum 2014 - Foto: Matthias Dorninger
Bildserie Vexierfragen / Conundrum 2014 - Foto: Matthias Dorninger

Vorbild: Tschechischer Surrealismus

Aber warum baumelt da ein Handy über dem Abgrund? „Das Mobiltelefon steht hier für missglückte, missverstandene Kommunikation“, verrät die Künstlerin, was dieses Gerät in ihrem Kosmos symbolisiert. Nicht umsonst zählt auch der Surrealismus, etwa die tschechische Malerin Toyen, zu ihren Vorbildern. Sollte hier im Atelier einmal das Handy läuten, es wäre durchaus denkbar, dass Fuchs und Eidechse rangehen – das zumindest ist eine der Ideen, zu denen uns die Kunst von Natalia Weiss verführt.

Einblicke in das Atelier von Natalia Weiss

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