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Im Porträt: Chien-Yu Lin

Chien-Yu Lin an ihrem Atelierplatz in der Akademie der bildenden Künste Wien
Chien-Yu Lin

CHIEN-YU LIN, *1997 in Taipei, lebt und arbeitet derzeit in Wien. Sie studierte Tuschemalerei und Printgrafik an der Taipei National University of the Arts. Seit 2021 studiert sie an der Akademie der bildenden Künste Wien, zunächst im Fachbereich Abstrakte Malerei, 2022 wechselte sie in den Fachbereich Grafik und druckgrafische Techniken. Ihre Werke waren in diversen Gruppenausstellungen vertreten, darunter 2022 bei der Royal Watercolour Society Open Exhibition, Bankside Gallery, London, bei der International Illustrator’s Exhibition, Cultural Heritage Park of Ministry of Cultural in Taichung, oder im Underground Art Museum, Taipei.

Alle scheinen ausgeflogen zu sein an diesem Freitagnachmittag während der Semesterferien. Chien-Yu Lin holt die ARTcube21 Autorin und den Fotografen an der schweren Eingangstür der Akademie der bildenden Künste Wien ab und führt sie zu den Studierenden-Ateliers für Grafik und druckgrafische Techniken. Doch auch jetzt, wo die Akademie im Stand-by-Modus ist, spürt man die Betriebsamkeit, die hier normalerweise herrscht: Vollgeräumte Arbeitstische, besprayte Spinde, Skizzen an den Wänden. In der Küchenzeile mehrere Stapel Geschirr. Darüber ein Zettel mit der nicht ganz ernst zu nehmenden Anweisung: „Don’t touch – it’s a project“.

Edition ARTcube21: Funkelnde Emotionen

Hier, an ihrem Atelierplatz in der Akademie, fertigt Lin die Skizzen für ihre Druckgrafiken an. „Ich mag Porträts und suche in Gesichtern nach den Geschichten, die sie erzählen. Oft verarbeite ich in meiner Kunst persönliche Beziehungserfahrungen und Emotionen. Manchmal geht es um Trauer, manchmal funkelt es aber auch“, sagt Lin und zeigt die Skizze zu „Start of Winter“, einer Miniatur, die sie für die ARTcube21 Edition hergestellt hat. Darauf zu sehen ist ein Frauengesicht, das von Sternen umschwärmt wird. „Den Stern als Symbol mag ich besonders, weil man sich bei seinem Leuchten nie sicher sein kann, wie lange es anhält. Auch bei Beziehungen ist es ja so: Du weißt nie, strahlt das jetzt für immer? Oder ist es nur eine Sternschnuppe – left without a trace.“

Start of Winter
von Chien-Yu Lin

In den Werkserien von Lin liegt das Augenmerk auf Reduzierung und dem Spiel mit Linie und Fläche. Die hier dargestellte Person blickt nach unten, auf sternartige Formen, die sich in ihrer Brille spiegeln. Wer die Abgebildete ist, bleibt unklar, doch indem die Umgebung in der Freistellung ihres Gesichts ausgeblendet bleibt, können wir assoziieren.

Silvia Müllegger

EDITION ARTcube21

ARTcube21 Edition von Chien-Yu Lin 39,1 x 30 cm, Radierung, 2023

Gemeinschaftsatelier an der Akademie

Die Studierenden-Ateliers sind für Lin ein Ort des künstlerischen und sozialen Austauschs. „Es kommt immer jemand vorbei, macht Small Talk oder gibt Feedback zur eigenen Arbeit“, erzählt die 26-jährige, die Tuschemalerei und Printmedia in Taipeh/Taiwan studierte, bevor sie nach Wien kam. Zunächst belegte sie hier ein Jahr Abstrakte Malerei bei Michaela Eichwald und Thomas Winkler, dann wechselte sie in den Fachbereich Grafik und druckgrafische Techniken. „Die Abstrakte Malerei war eine gute Erfahrung, weil ich aus meiner Komfortzone herauskam. Jetzt genieße ich aber wieder den Vibe unter den Grafiker:innen, weil hier alle dieselben Interessen haben.“

Start of Winter von Chien-Yu Lin, Radierung, Detailaufnahme
Start of Winter - Chien-Yu Lin

"Den Stern als Symbol mag ich besonders, weil man sich bei seinem Leuchten nie sicher sein kann, wie lange es anhält."

Wie man mit Sammler:innen umgeht

Die Community werde von Fachbereichsleiter Christian Schwarzwald auch bewusst durch gemeinsame Projekte gestärkt, etwa mit der regelmäßigen Gruppenausstellung „DASEDITH“, bei der die Studierenden des Fachbereichs Grafik und druckgrafische Techniken ausgewählte Arbeiten präsentieren und verkaufen. Ein Projekt, von dessen Praxisnähe Lin profitierte. „Man lernt, wie man mit Sammler:innen kommuniziert und Dinge wie Abholung oder Überweisung organisiert.“ Auch andere Lehrende wie Renata Darabant (ebenfalls in der ARTcube21 Edition vertreten) beraten die Studierenden im laufenden Akademiebetrieb gerne, sagt Lin, während sie ins Herzstück des Fachbereichs führt: die Tiefdruckwerkstatt im Souterrain der Uni.

Tiefdruck: Freude am Warten

Hier in der Tiefdruckwerkstatt wird umgesetzt, was oben in den Ateliers entworfen wurde. Sorgfältig geputzte Druckpressen stehen in dem hellen Raum. Das Terpentinöl riecht nach Kräutern und sorgt für einen Hauch Wellnessfeeling. Lin führt zu einem Probedruck von „Start of Winter“. Auf der Intagliotypie sind die Radierungszeiten vermerkt. „Je länger geätzt wird, umso dunkler wird die Farbe auf dem Druck“, erklärt die Künstlerin: Das dunkelgraue Brillengestell der Frau auf ihrem Motiv braucht vier Minuten, die helleren Brillengläser benötigen nur eine Minute Einwirkzeit.

Warum sie gerne mit Tiefdruck arbeitet? Lin denkt nach. „Beim Druckprozess muss man viel warten. Mich stört das nicht. Ich finde die Wartezeit faszinierend. Sie hilft mir, den Kopf freizubekommen. Wartezeit ist für mich geschenkte Zeit!“ In der Tiefdruckwerkstatt arbeiten – und warten – die Studierenden und durchlaufen dabei oft tagelang die gleiche Taktung. So wie neulich, als Lin und ein Kollege von früh bis spät parallel an ihren Drucken arbeiteten. „Wir haben während des Druckens kein Wort miteinander geredet. Aber am Abend verabschiedete er sich mit den Worten: Danke für die gute Gesellschaft“, sagt Lin, und man spürt, wie sehr sie in ihrer Arbeit aufgeht.

Intagliotypie / Strichätzung

Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung von Chien-Yu Lin, die zeigt, dass dieser Prozess besonders aufwendig ist und viel Geduld sowie handwerkliches Geschick erfordert:

  • Kupferplatte polieren und die vier Kanten der Platte aufrauen
  • Lack auf beide Seiten der Platte auftragen
  • Skizze mit Kopierpapier auf die Platte übertragen
  • Die Linien mit der Nadel nachfahren/eingravieren
  • Die Linien mit Eisenchlorid nachätzen
  • Lack entfernen und Platte von Fett reinigen
  • Probedruck anfertigen
  • Rückseite mit Lack bestreichen
  • Platte ablegen und mit Kolophonium (einem Harz) bestreuen
  • Die Platte über einer Flamme erhitzen, damit das Kolophonium haften bleibt
  • Vorderseite der Platte lackieren
  • Ätzprozess starten
  • Um unterschiedliche Farbtöne/Intensitäten zu erhalten, kann man Schritt 11 und 12 mehrfach wiederholen.
  • Beidseitige Lackierung und Kolophonium auf der Frontseite entfernen und Platte entfetten
  • Druck starten!

Erklärt von Chien-Yu Lin

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