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Im Porträt: Georg Lebzelter

Georg Lebzelter
Georg Lebzelter in seinem Atelier

GEORG LEBZELTER, * 1966 in Melk / Niederösterreich, studierte Malerei und Freie Grafik an der Akademie der Bildenden Künste Wien bei Professor Maximilian Melcher, sowie an der Universidad Complutense Madrid/ Spanien. Seit 1990 arbeitet er in seinem Wiener Studio an Radierungen, anderen Drucken, sowie Zeichnungen, Collagen und Malerei. Als Kurator entwarf er Ausstellungen zum Thema Grafik, als Dozent lehrt er Drucktechniken an der Höheren Graphischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt/Wien.

Wien Mariahilf, ein langgezogener Raum im Erdgeschoss einer ruhigen Seitenstraße. Gleich neben dem Eingang steht das Herzstück von Georg Lebzelters Atelier: die Druckerpresse. Hier legt Lebzelter die vorbereiteten Kupferplatten Stück für Stück ein. Darüber das sorgsam gewässerte Büttenpapier, zwei Schichten Filz, dann dreht er alles durch die schwere Walze. Dass Lebzelter diesen Vorgang selbst durchführt, ist etwas Besonderes. Viele Künstler:innen geben ihre Platten auswärts zum Drucken. Doch für Lebzelter war und ist dieser Schritt schon immer wesentlich, denn: „So kann ich wirklich fein und detailliert, vor allem aber autonom arbeiten. Ich kann drucken und dann schauen: Wie geht es weiter?“ Schritt für Schritt arbeitet er sich zur fertigen Radierung vor.

Anagramme aus dem Radio

Lebzelter ist Handarbeiter. Einer, der die Langsamkeit des Prozesses schätzt. Während er die Motive skizziert oder mit Hilfe historischer Biologiebücher Collagen zusammenstellt, läuft bei ihm ö1. „Das einzige Radioprogramm, das man hören kann“, wie er findet. „Wenn dort etwas Interessantes läuft, dringt es in mein Bewusstsein durch.“ Besonders Nachrichten bringen ihn zum Assoziieren. Wortungetüme wie „Ausreise­anhaltung, die im Zusammenhang mit geflüchteten Menschen geschaffen wurden“, machen den Künstler stutzig. Er zerlegt sie, ordnet sie um, setzt sie in neue Zusammen­hänge. Aus den Buch­staben bildet er den Anagramm-Titel seiner Platte: „Galante Nase, Sir Uhu“ (auf ARTcube21 zu erwerben), eine bewusst absurde Verfremdung, die Lebzelter hilft, „die bedrückende und bedrohliche Dimension dieser Vokabel abzuarbeiten.“

Politische Tradition der Druckgrafik

Dabei hat Lebzelter die aufklärerische Tradition der Druckgrafik im Hinterkopf: „Der grafische Künstler hat schon aus Tradition eine politische Ver­antwortung. Druckgraphik hat bedeutet: Agitation! Mehr Infor­mation für mehr Leute zugänglich machen, indem ich das Wissen aus dem kleinen, privile­gierten Kreis der Wissenden, Mäch­tigen und Reichen heraus­nehme und Flugblätter drucke. Dabei war das Bild schon immer zentral, viele konnten zur Blütezeit der Druck­grafik im 16., 17., 18. Jahrhundert noch nicht lesen.“ Damals eröffneten gedruckte Bilder den Un­gebildeten ein neues Welt­ver­ständ­nis. Die moderne Druckgrafik kann diese Rolle natürlich nicht mehr über­nehmen, doch zumindest Lebzelters An­spruch, mit seinen Arbeiten neue Gedanken zu formulieren, ist geblieben.

Der grafische Künstler hat schon aus Tradition eine politische Verantwortung.

Collage trifft Radierung

Lebzelter führt durch sein Atelier, zeigt Kupferstichel, Lupenbrille und andere Werkzeuge, die er täglich braucht, er erklärt alle Arbeitsschritte bis zur fertigen Radierung und breitet die Druckgrafiken aus, die er mit unserer Kuratorin für den ARTcube21 ausgewählt hat. Wer seine Radierungen sieht, sieht ana­tomische Abbildungen, die bewusst gespiegelt und verfremdet wurden: Nasen wachsen seitlich wie Ohren aus einem Kopf. Das Muskel­skelett eines Affen mündet in schmale Kinderkörper. Eine Eizelle, Kiefern­zapfen, Samenfäden – alles hängt mit allem zusammen. Wir sind Natur.

Georg Lebzelter - Foto: Matthias Dorninger
Georg Lebzelter - Druckplatten

Kunstwerk mit kritischem Subtext

Dass diese phantastischen Gebilde einen kritischen, ja oft politischen Subtext haben, kann man wissen, muss man aber nicht: „Wenn man zu viele Informationen zu einem Kunstwerk hat, schränkt einen das auch ein. Ich will mit diesen Anagrammen vor allem zeigen: Nix ist fix. Der Zustand, den Bild und Wort hier in diesem Druck und in dieser Zusammensetzung haben, könnte auch ein ganz anderer sein. Es gibt nicht das eine bildnerische Endprodukt. Es gibt nur die Möglichkeitsform am Ende eines Prozesses.“

Serien- oder Einzelhängung?

Übrigens gehören die auf ARTcube21 angebotenen Lebzelter-Drucke zu einer Serie. Man kann sie gemeinsam erwerben und hängen, oder einzeln, ganz nach Belieben. „Es ist wie mit Lyrik“, sagt Lebzelter, „Man kann den ganzen Gedichtband lesen oder nur ein Gedicht.“ Oder wie mit einem Popsong, der mit dem ganzen Album gehört werden kann oder als Single. Ob auch die Generation Popkultur oder gar die Generation Spotify etwas mit Lebzelters Arbeiten anfangen kann? Wir glauben: Ja. Denn der durch und durch handgemachte Charakter seiner Arbeit ist heute ein rares Gut. Lebzelters kritisches Denken aber ist zeitlos, eine Eigenschaft die schon immer das Werk des echten Künstlers von dem des Kunsthandwerkers unterschied.

Georg Lebzelters Leidenschaft für Radierungen
„Für diese Technik habe ich mich eigentlich schon sehr früh interessiert, also entschieden: Ich habe schon im Gymnasium die Gelegenheit gehabt, eine kleine Radierung zu machen und das hat mich eigentlich nicht mehr losgelassen. Es gab eine frühe Begeisterung, wie der Zeichenlehrer reingekommen ist mit dem großen Kupferblech und der Blech-Schere und gesagt hat: „Jetzt schneid’s euch mal was runter.“ Und das war schon irrsinnig mühsam und anstrengend, bis man überhaupt mal dorthin kommt, bis man etwas hat, was man zeichnet und dann kommt die ganze Chemie dazu, das Ätzen und der Prozess beim Drucken. Und ich hatte dann eben das Glück, dass ich auf der Akademie am Schillerplatz aufgenommen wurde und bei Max Melcher in der Grafikklasse studiert habe, wo eben noch ein großer Schwerpunkt auf diesen handwerklichen, technischen Möglichkeiten und Fertigkeiten gelegt wurde. Und da habe ich mich sehr stark auf Radierung spezialisiert und alle anderen Techniken, Siebdruck, Lithographie und Holzschnitt. In letzter Zeit habe ich viel Siebdruck gemacht. Aber für dieses kleine Format und für die Auflage und auch diese intime Serie habe ich die Radierung gewählt. Es ist auch ein bisschen Aquatinta dabei, aber hauptsächlich die Strichätzung.“

Warum ich ihn empfehle?

„Die Welten von Georg Lebzelter haben etwas Vertrautes und Surreales. In den collagehaften Zusammenstellungen entdeckt man immer etwas Neues, das auf Vergangenes verweist, Erinnerungen weckt und doch mysteriös bleibt. Nicht nur ist seine Liebe zum Detail spürbar, sondern auch das Spiel mit Sprache an sich. So ist der Titel immer Bestandteil des Werkes und umgekehrt.“

Kuratorin Silvia Müllegger über Georg Lebzelter

Portrait Silvia Müllegger - Foto: Stefan Nützel
Silvia Müllegger

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