Die Radierung ist eine Tiefdrucktechnik, die parallel mit der industriellen Papiererzeugung im frühen 16. Jahrhundert aufkam. Ihr Name leitet sich von Lateinisch radere: kratzen, entfernen ab. Hier wollen wir die bekanntesten beiden Spielarten der Radierung vorstellen, die Ätzradierung (chemische Technik) und die Kaltnadelradierung (mechanische Technik).
Wie entsteht eine Ätzradierung?
Für die klassische Ätzradierung wird eine Platte (aus Kupfer, selten Zink oder Messing) poliert und anschließend mit einem speziellen Lack bestrichen. Danach wird das Motiv spiegelverkehrt auf die lackierte Druckplatte aufgetragen. Linien des Motivs werden mit der Radiernadel in die Lackschicht geschabt. Nun wird die Platte in ein Säurebad getaucht. Die Säure ätzt die Linien genau dort in das Kupfer ein, wo der schützende Lack zuvor eingeritzt wurde.
Nach vielen Stunden Arbeit ist die Druckplatte fertig. Nun kann sie mit Farbe bestrichen, blank gewischt, in eine Druckerwalze eingelegt und gedruckt werden. Dabei saugt das Papier, das auf der Druckplatte aufliegt, ähnlich einem Schwamm, die Farbe aus den Vertiefungen auf. Jeder Druckvorgang ist individuell.
Die Technik der Radierung wird häufig mit der Technik der Aquatinta kombiniert. Aber was ist eigentlich eine Aquatinta? Georg Lebzelter erklärt:
„Die Aquatinta ist das Flächen-Ätzverfahren des Tiefdrucks, so die offizielle Definition. Wenn ich Flächen und Halbtöne im Tiefdruck erzielen möchte, brauche ich eine Art von Rasterung, weil die Platte selber, wenn ich sie auswische ist nicht druckend. Wenn ich die mit Linien versehe, habe ich alle Möglichkeiten, mit Schraffuren und Strichlagen zu gestalten. In der Aquatinta gibt es flächige Elemente. Das ist dann das Resultat von dem Prozess. Die Platte wird gesäubert, entfettet und wird dann mit einem Säurefesten Pulver, z.B. Kolophonium oder einem Sprühlack angesprüht.
Dann habe ich ein System aus lauter kleinen, säurefesten Punkten. Diese Fläche wird dann geschabt. Je nachdem, wie lange ich das im Ätzbad der Säure aussetze, entstehen mehr oder weniger tiefe Näpfchen innerhalb der Platte, wie so ein kleiner Punkt-Zwischenraum-Raster – so ein schönes Wort! – die die Halbtöne definieren im Druck. Je tiefer man gräbt, desto mehr Farbe, desto dunkler.“
Wie entsteht eine Kaltnadelradierung?
Im Englischen nennt man sie „dry point“: trockener Stich. Denn bei der Kaltnadelradierung wird die Zeichnung unter Kraftaufwand mit einer Radiernadel oder anderen Kratzwerkzeugen direkt in die Druckplatte eingeritzt. Weil die Radiernadel aus schwerem Stahl besteht, erleichtert ihr Eigengewicht das Zeichnen und Ritzen auf der Platte. Bei einer Kaltnadelradierung lassen sich besonders feine Grau-Schattierungen und weiche Konturen erzielen. Rembrandt war unter den ersten, die Kaltnadel- und Ätzradierung kombinierten, aber auch Edvard Munch, Max Beckmann oder Picasso waren Meister dieser Technik. Merkmale der Kaltnadelradierung:- Die Farbe liegt reliefartig erhöht auf dem Papier.
- Neben dem Grat tritt der sogenannte Gratschatten, also die Kontur, als weicher Begleitton auf.
Einplattenradierung oder Mehrplattenradierung?
Egal ob Kaltnadelradierung, Ätzradierung oder andere Tiefdrucktechniken: Bei jeder Radierung unterscheidet man zwischen Einplattenradierung und Mehrplattenradierung, je nachdem ob beim Druckvorgang eine oder (nacheinander) mehrere Platten verwendet werden. Sind es mehrere, können für eine Farbradierung verschiedene Farben gedruckt werden – in einer logischen Reihenfolge vom helleren zum dunkleren Farbton.Wussten Sie, dass...
- … dass viele Künstler:innen die Druckplatte nach dem Druck einer vorgegebenen Anzahl von Radierungen zerstören? Das ist die sicherste Methode, die Auflage zu limitieren.
- … dass Radierungen schon zu Zeiten von Rembrandt (1606-1669) bei Sammler:innen beliebt waren? Damals wie heute ermöglichten sie es, Kunst zu erschwinglichen Preisen zu sammeln.
- … dass Wien mit der Albertina die größte Grafiksammlung der Welt besitzt? Sie geht zurück auf die Sammelleidenschaft Herzog Albrechts (1738-1822), der es vor allem auf zeitgenössische Druckgrafiken abgesehen hatte. 200.000 Kunstdrucke konnte er zu Lebzeiten vergleichsweise günstig erwerben, 700.000 Druckgrafiken kamen nach seinem Tode hinzu – der Wert dieser Sammlung lässt sich heute kaum beziffern. Mit dem Habsburgergesetz ging die Sammlung 1919 in österreichischen Staatsbesitz über.