PAUL RAAS, *1973 in Salzburg, erlernte Kupferdruck, Hochdruck und Siebdruck in der grafischen Werkstatt der Berchtoldvilla Salzburg und übernahm danach die Leitung des Siebdrucks. Er ist Mitglied der Berufsvereinigung Bildender Künstler und der Münchener Künstlergenossenschaft königl. priv. 1868. Seit Mitte der 1990er-Jahre arbeitet Paul Raas mit Malerei, verschiedenen Drucktechniken wie Radierung und Siebdruck. Raas erhielt verschiedene Arbeitsstipendien und Kunstpreise – u .a. das Förderatelier des Kulturamtes Stadt Salzburg und 2021 den Karl-Weiser-Preis.
Die Druckerpresse im Atelier von Paul Raas wiegt mehr als 70 Kilogramm und geht doch immer wieder auf Reisen. Wenn die Arbeiten des 1973 geborenen Künstlers auf einer Ausstellung oder einer Kunstmesse präsentiert werden, dann nimmt er sein bestes Stück zum Schaudrucken mit. „Ich zeige den Leuten gerne, wie meine Kunst entsteht. Viele möchten dann direkt ihre Münzen durchlassen und andrucken.“
Kupferstich meets Bitcoin
Mit den „Münzen“ spricht Raas die Kupferscheiben seiner Serie „Contemporary Art Coins“ an. Dabei handelt es sich nicht um Kleingeld, sondern um Metallscheiben mit vier Zentimeter Durchmesser, in die der Künstler Bilder geritzt und geätzt hat. Die runden Kupferstichplatten werden ein einziges Mal für einen Druck auf Büttenpapier verwendet. Dann kommen die Metallscheiben und die spiegelverkehrten Grafiken als Paar in einen Rahmen.
Wie schon der Titel der Serie verrät, war die digitale Währung Bitcoin der Auslöser für diese Arbeiten, die bei ARTcube21 erworben werden können. „Bei neuen gesellschaftlichen Entwicklungen stelle ich mir die Frage, wie ich als Künstler darauf reagieren kann,“ kommentiert Raas seine Idee, mit der jahrhundertealten Technik des Kupferstichs auf ein digitales Phänomen zu reagieren.
„Ich zeige den Leuten gerne, wie meine Kunst entsteht."
Paul Raas
Künstlerische Ader in der Familie
Der Salzburger wusste schon als Bub, dass er sich später wie sein Urgroßvater, seine Großmutter und seine Mutter der Kunst widmen wollte. Neben der Leidenschaft für das Malen und Zeichnen gab der große Freiheitsdrang des Künstlerfamiliensprosses den Ausschlag. Als Teenager besserte Raas sein Taschengeld in der Druckwerkstatt der Mutter auf. Die dort angewandten Techniken verinnerlichte er früh. Heute gehen ihm seine beiden Kinder begeistert beim Drucken zur Hand.Autodidakt mit Liebe zur Handarbeit
„Das meiste habe ich gelernt, indem ich anderen Künstlern bei der Arbeit zugeschaut habe“, erzählt der Autodidakt, der im Lauf der Jahre viele Ateliers von Kolleg:innen besucht hat. Besonders fesselten ihn die vielfältigen Experimente und neuen Wege, die dort erprobt werden. In seiner eigenen Laufbahn widmete sich Raas zunächst der Fotografie und den Verfahren in der Dunkelkammer. Doch irgendwann verlor die Arbeit mit der Kamera an Reiz. „Ich wollte weg von den glatten Oberflächen, wieder hin zum Haptischen“, schildert der Grafiker.„Kunst braucht den manuellen Prozess“
„Kunst braucht den manuellen Prozess.“ Dieses Motto des langjährigen Albertina-Direktors Walter Koschatzky hat sich Raas auf seine Fahnen geschrieben. Das Ritzen, der Farbauftrag mit der Rakel und das Pressen in gewässerte Bütte hat ihm die sinnliche Erfahrung zurückgegeben. Mit den Contemporary Art Coins produzierte der Künstler eine Art Retrospektive all jener Sujets, die er in den letzten drei Jahrzehnten entwickelt hat. So griff er neben Landschaftselementen wie Bergen und Bäumen erneut auch das Motiv des Schwarms auf, etwa Formationen von Vögeln oder Fischen.
Aber warum trägt der Kupferstich eines Vogelschwarms den Titel „Kugelsternhaufen“? Zu dieser Bildidee wäre er über sogenannte „Schwarzplatten“ gekommen, mit denen in vergangenen Zeiten Sterne fotografiert wurden. Einst diente der Vergleich solcher Langzeitbelichtungen als Methode, um das Verschwinden und Auftauchen von Himmelskörpern zu erkennen; heute werden solche Beobachtungen von Computern erledigt.
„Wenn ich einen Spritzer mache, dann sieht das genau gleich aus wie die Verteilung von großen und kleinen Sternen.“ Mittlerweile verwendet Raas auch Stempel, in die er Tiermotive schneidet. Damit setzt er die einzelnen Elemente in Beziehung zueinander. Ob Sterne oder Tiere, letztlich entstünden doch Symbole für das „Zusammensein der Menschheit“. Wenn Paul Raas seine Bilder von „Strömungsrichtungen, Einzelgängern, Systemgewinnern, Mitläufern, Gegen-Stromschwimmern“ entwirft, arbeitet er auch mit digitalen Algorithmen.
„Malerei mit Drohnen“
Ganz sicher folgt Raas’ Kunst keinem Retro-Trend. Vielmehr befasst sich der Künstler oft und gerne mit den neuesten technologischen Innovationen. Für seinen Zyklus „Robotische Kunst“ hat er etwa Performances mit Drohnen entwickelt, bei denen die Fluggeräte Farbe auf große Leinwände verteilten. Der Künstler hat immer wieder mit universitären Institutionen zusammengearbeitet und würde in naher Zukunft gerne ein Projekt zu künstlicher Intelligenz realisieren.Liebe zum Kreisrund
Letzte Frage: Warum ist das runde Format in Raas’ Kosmos eigentlich so wichtig? Das rühre wohl auch vom Blick durch das Teleskop her, erzählt der Hobbyastronom. Manche Betrachter:innen denken an alte Fotografien oder Petrischalen, andere an Schützenscheiben. Mit den Contemporary Art Coins eröffnet Raas ein Assoziationsfeld, das auch um Wertschöpfung kreist. Bei früheren Präsentationen seiner Serie konnte das Publikum auf einer Tafel einen Preis dafür einzeichnen, wodurch ein Diagramm entstand. Im Endeffekt macht Raas jedoch klar, dass der ästhetische und der emotionale Wert eines Kunstwerks jenseits solcher Messlatten liegt.
Über die Serie Contemporary Art Coins
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Zeichnen sich die Arbeiten von Paul Raas durch Auseinandersetzungen mit philosophischen und naturwissenschaftlichen Fragen aus, so reflektiert der Künstler in seiner Serie Contemporary Art Coins über Funktion und Wert unserer aktuellen Äquivalenzware Geld. Bestimmen Angebot und Nachfrage den Marktpreis für Produkte, so stellt der Künstler mit seinen Contemporary Art Coins die Frage nach dem Wert der Kunst an sich. Besonders im Hinblick auf aktuelle Strömungen haptische durch digitale Zahlungsmittel zu ersetzen, entwickelt der Künstler seine eigene „künstlerische Währung“.
Als Avatar für die Münze dient die Kupferplatte, die gemeinsam mit einem einzelnen Abdruck präsentiert wird. Münze und Abbild stehen einander gegenüber, sind vereint und anders als im Druck an sich, der der Vervielfältigung dient, handelt es sich hier um jeweils Singularitäten, die gemeinsam aber auch jedes für sich als autonome Kunstwerke zu verstehen sind.