Die Cyanotypie – benannt nach dem blaugrünen Farbton Cyan – ist ein fotografisches Edeldruckverfahren. Um eine Cyanotypie herzustellen, wird Papier mit fotosensiblen Materialien präpariert und anschließend belichtet, bis der typische blaugrüne Farbton erscheint. Wie genau das funktioniert, erfahren Sie hier.
Die Geschichte der Cyanotypie
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts standen mehrere Verfahren zur Vervielfältigung von Bildern in den Startlöchern: Eines der vielversprechendsten war die 1842 vom britischen Naturwissenschaftler John Herschel entwickelte Cyanotypie, die damals auch industriell zum Kopieren von Architekturskizzen, Listen, Handzetteln etc. verwendet wurde. Die Vorgangsweise war relativ einfach und zudem ungiftig: Papier wurde mit einer Lösung aus Ammoniumeisen(III)-citrat und Kaliumhexacyanidoferrat(III) lichtempfindlich gemacht und anschließend via Durchlichtfolien belichtet. So konnten mit einer Belichtungsfolie beliebig viele Kopien hergestellt werden.
Ab etwa 1870 bis zum Zweiten Weltkrieg war die so erzeugte „Blaupause“ (auch: Blueprint oder Lichtpause) das gängigste Kopierverfahren.
Cyanotypie in der Kunst
Schon früh wurde die Technik der Cyanotypie auch von Künstler:innen wie Anna Atkins oder John Herschel eingesetzt, die Objekte auf lichtsensibles Papier legten, um ein Abbild zu erhalten: So entstandene Kunstwerke bezeichnet man als Fotogramme.Kunst aus der Lichtbox
Wenn ARTcube21 Künstlerin Barbara Herbst eine Cyanotypie herstellt, fotografiert sie meist zunächst ein Motiv, produziert dann eine Negativfolie aus dem Bild und belichtet diese in ihrer selbst gebauten Lichtbox. So entsteht ein Lichtbild vom Lichtbild. Hier beschreibt sie den Vorgang Schritt für Schritt:
Die Herstellung einer Cyanotypie
- Schritt 1 – Mischung
Zunächst rühre ich die beiden Substanzen, Ammoniumeisen(III)-citrat und Kaliumhexacyanidoferrat(III), in einem bestimmten Mischverhältnis an. Aufpassen muss ich dabei zum Glück nicht. Sie sind wenig gefährlich, im Normalfall braucht man bei der Handhabung keine besonderen Schutzmaßnahmen. Es schadet nichts, wenn sie mit der Haut in Berührung kommen. Sobald die Chemikalien vermischt sind, sind sie lichtempfindlich. - Schritt 2 – Imprägnierung
Diese lichtempfindliche Flüssigkeit trage ich mit dem Pinsel auf ein Trägermaterial auf. Das kann Papier sein. Aber auch Textilien wären möglich. - Schritt 3 – Trocknung
Anschließend lasse ich das Ganze trocknen. - Schritt 4 – Belichtung
Diese fotosensible Schicht kann jetzt belichtet werden. Ich verwende dazu meistens Filmfolien mit dem Motiv darauf. Das wird dann aufgelegt und belichtet. Möglich wäre es, das einfach mit dem Sonnenlicht von draußen zu machen, das Ergebnis wäre aber wenig präzise. Ich habe mir darum eine Belichtungsmaschine gebaut, die mich unabhängig von der Sonne arbeiten lässt. - Schritt 5 – Auswaschung
Dort, wo das Licht durch die Folie fallen kann, verfärbt sich das Papier und wird blau. Der Rest verfärbt sich nicht, muss aber ausgewaschen werden. Dazu legt man das Papier nach der Belichtung in ein Wasserbad. Macht man das nicht, würde sich alles weiterentwickeln, sobald es ins Licht kommt. - Schritt 6 – Farbintensivierung
Anschließend kommt das Blatt noch kurz in ein Bad mit Wasserstoffperoxyd, das holt das Blau noch einmal so richtig schön raus. Und das war es eigentlich.
Belichtungsmaschine: Licht aus der Box
Die Belichtungsmaschine zur Herstellung ihrer Cyanotypien hat Barbara Herbst selbst gebaut, denn handelsübliche waren ihr zu unflexibel in der Handhabung – aber auch zu teuer. „Die Tendenz ist inzwischen, mit LED-Leuchten zu arbeiten“, erklärt die Künstlerin, „aber meine Box funktioniert mit traditionellen UV-Leuchtstoffröhren.“ Damit sich das Licht in der dunklen Holzbox ideal verteilt, hat Herbst die Innenwände mit Spiegeln ausgekleidet. Öffnet man die Frontlade, gleitet eine Schublade auf einer Schiene heraus. Zuoberst befindet sich eine dicke Glasplatte, mit der Trägerpapier und Durchlichtfolie fixiert werden, damit nichts verrutscht. „Viele arbeiten mit Kontaktrahmen“, erklärt Herbst, „aber das schränkt mich vom Format her zu sehr ein. Ich möchte auch mit großformatigen Papieren arbeiten können.“Cyanotypie: 6 Praktische Fragen an Barbara Herbst
Meistens verwende ich eine Belichtungszeit zwischen vier und neun Minuten. Für die Edition habe ich eine Belichtungszeit von siebeneinhalb Minuten gewählt. Es gibt aber Materialien, die ich 20 Minuten belichte. Grundsätzlich ermittle ich die Belichtungszeit für jedes Papier und Motiv neu. Dazu erstelle ich mit dem ausgewählten Papier eine Belichtungsreihe und wähle jenen Blauton aus, der am besten passt. Manche Bilder gestalte ich lieber in einem dunklen Blauton, für andere wähle ich bewusst einen viel helleren (und damit eine kürzere Belichtungszeit).
Grundsätzlich ergibt sich die Belichtungszeit aus der Stärke der Beleuchtung, Dicke des Glases, Entfernung des Bildes von der Lichtquelle und der Art des zu belichtenden Materials, aber auch der mehr oder weniger dichte Auftrag der Emulsion verändert den Farbton.
Nimm 3: Berühmte Künstler:innen und ihre Cyanotypien
-
Anna Atkins (1799-1871):
Die britische Botanikerin, die als erste Fotografin der Welt gilt, war auch eine Pionierin der Cyanotypie, mit deren Erfinder, John Herschel, Atkins’ Familie befreundet war. Atkins’ Arbeiten, die meist Pflanzenmotive zeigen, werden bei Sotheby´s mittlerweile um fünfstellige Dollarbeträge gehandelt. -
Birgit Jürgenssen (1949-2003):
Die feministische Wiener Künstlerin Birgit Jürgenssen, deren Werke auch durch die Ankäufe der bei Verbund-Kunstsammlung in den letzten Jahren rasant im Wert gestiegen sind, produzierte in den späten 80er-Jahren eine Serie von Cyanotypien -
Robert Rauschenberg (1925-2008):
Der amerikanische Maler, Grafiker, Objektkünstler und Wegbereiter der Pop-Art Robert Rauschenberg arbeitete in einer frühen Werkphase auch mit „Blueprints“, wie Cyanotypien im Englischen genannt werden: Eine Serie von 17 Arbeiten wird von der Rauschenberg Foundation aufbewahrt und ist hier im Detail beschrieben.
Weiterführende Informationen: